Edition Bauwirtschaft

von Prof. Dr. Bernd Witthaus

Fertigteilwerk

Das Fertigteilwesen besitzt eine lange Tradition, insbesondere im Tiefbau, wo z.B. schon in Vorkriegszeiten Ortbetonbauwerke (Kanalisation, Schachtbauwerke etc.) durch Fertigteillösungen ersetzt wurden. Im Prinzip resultieren das Fertigteilwesen und damit auch die Fertigteilwerke aus dem Streben nach Rationalisierungen der Bauabläufe im Hinblick auf Kosten, Zeit und Qualität. Dabei schlagen sich natürlich die zeitlichen Einsparungen in den Kosten nieder, und dies schon dann, wenn man lediglich eine gleich gute Qualität voraussetzt. Grundsätzlich findet man den Einsatz von Fertigteilen sowohl im Hochbau, als auch im Tiefbau vor, wobei hier ausschließlich Betonfertigteile und die sie produzierenden Werke angesprochen sind und nicht etwa Stahl- und/oder Gussfertigteile (z.B. Tübbings), die etwa im Tunnel-, U- und S-Bahnbau eingesetzt werden. In dieser Betrachtung nicht erfasst sind ebenfalls die Fertigteile des Holzleimbaues. Hierfür einige Beispiele: Ing.-tiefbau / Brückenbauelemente Kanalbau / Rohre und Schächte Straßenbau / Bordsteine, Umrandungen Sonderbauwerke für Bahn und Post. Im Hochbau sind es vorwiegend: Roh- und SF-Bau / Stützen und Binder, Roh- und SF-Bau / Fertigdecken, Roh- und SF-Bau / Keller und Treppen, Roh- und SF-Bau / Fassade. Während ursprünglich die Rationalisierungsmöglichkeiten auf der Baustelle im Vordergrund aller Überlegungen standen und damit Fertigteilwerke gebraucht wurden, die auf Bestellung für bestimmte Bauaufträge / -stellen produzierten (insbesondere im Hochbau), hat sich die Fertigteilproduktion inzwischen weitgehend umstellen müssen. Nachdem viele Werke in Ermangelung einer kostendeckenden Auslastung schließen mussten, wird nun vielfach aus einem Fertigteilwerk heraus schlüsselfertig angeboten, sozusagen als Alternative bzw. Nebenangebot zur konventionellen Ortbetonausführung. Dabei gab und gibt es praktisch bei Hochbaufertigteilen keine Lagerhaltung, da keine Massenproduktion, sondern allenfalls eine Kleinserienproduktion aufgelegt wird. Anders liegt die Situation im Tiefbau, wenn man an die ausführenden Sparten des kommunalen Tiefbaues denkt. Hier findet man die Massenproduktion auf Vorrat neben Klein- und Großserienfertigungen. Daher kommt, insbesondere im Hinblick auf die Unternehmensliquidität, der Lagerhaltung eine große Bedeutung zu, und dies stellt auch eines der wichtigsten Existenzargumente für den lagerhaltenden Baustoffhandel dar. Ein sehr grundsätzlicher Unterschied trennt das Fertigteilwerk von einer Baustelle, denn auf einer Baustelle wird immer ein Stück Bauwerk als Einzelfertigung mit vielen Fertigungskomponenten hergestellt. Im Fertigteilwerk bemüht man sich, von der aufwendigen Einzelfertigung wegzukommen, hin zu einer Serienfertigung in Form von Klein- oder Großserien. Eine Massenfertigung findet man nicht im Hochbaubereich, sondern allenfalls mit speziellen Bauteilen oder -stoffen im Tiefbau (Ausnahme: z.B. Steine in den verschiedenen Formen). Insofern gleicht die Fertigteilproduktion für den Hochbau mehr den Produktionsformen der Eisen- und Metallerzeugnissen als der Einzelfertigung auf der Baustelle, und in der Betriebsabrechnung schlägt sich dieser Umstand in einer differenzierten Kostenarten-, Kostenstellen- und Kostenträgerrechnung nieder.Einer der wichtigsten Anbieter der Branche ist die Bauunternehmung Florack GmbH, Heinsberg, die mit einer differenzierten Produktpalette eine wichtige Berater- und Lieferantenposition in der Fertigteilbranche einnimmt.


In der Produktion selbst gibt es gut abgegrenzte Kostenstellen (Fertigungsbereiche), z.B. Einheiten von Fertigungstischen, die man sich auch als eine Art Formerei vorstellen kann sowie Bearbeitungseinheiten, aus denen sich ein homogener Fertigungsfluß darstellen lässt, der auf einer exakten täglichen, wöchentlichen, monatlichen und jährlichen Produktionsplanung beruht. Daher zeigen sich im Fertigteilwerk hier und dort REFA - Anwendungen und Leistungslöhne. Auch die Akquisition eines Fertigteilwerkes (Hochbau) weist erhebliche Unterschiede zur normalen Akquisition eines Bauauftrages auf. Im wesentlichen können folgende Akquisitionskategorien unterschieden werden: die Beratung eines Bauherrn oder seines Architekten im Vorfeld, die Ausschreibung eines Projektes als Fertigteilprojekt, die Bestellung von Fertigteilen, für die das bestellende Bauunternehmen bereits den Auftrag im Hause hat, die Akquisition eines Projektes, in welchem die Ortbetonbauweise in eine Fertigteillösung umgewandelt wird (z.B. als Nebenangebot eines anfragenden Bauunternehmens oder beim Bauherrn direkt) sowie die eigene Bearbeitung und Umwandlung einer Ausschreibung von Ortbeton auf Fertigteile. Die Art und Weise der Akquisition legt ferner einen wichtigen Schwerpunkt auf die Vorbemessungen bzw. Vordimensionierungen der Fertigteile und damit auf die Gesamtstatik des Projektes. Daher muß der Akquisiteur "mit seinem 7b" auch beim Kunden spontan Lösungswege zu Papier bringen können, und dafür braucht er eine gründliche statische Ausbildung, also am besten eine Mischung aus Vertriebstalent und hohem, technischem Verständnis. Dass sich in den letzten 20 Jahren immer weniger Fertigteilwerke am Markt halten konnten, findet seine Erklärung auch in den ständig erforderlichen Erhaltungs- und Neuinvestitionen, die notwendig sind, um am Markt wettbewerbsfähig zu bleiben. Kalkulatorische Abschreibungen und Zinsen können jedoch nur langfristig unter der Voraussetzung verdient werden, dass es im Markt keinen ruinösen Wettbewerb gibt. Ein Ausweg aus einer nicht auskömmlichen Preissituation war im ein oder anderen Fall die Spezialisierung auf Spezialfertigteile oder eine Marktnische, in der das Angebot nicht gar so groß ist wie im herkömmlichen Bereich. Anders sieht es im Fertigteilwesen des Tiefbaues aus. Hier sind zumindest Kleinserien an der Tagesordnung. Rohre oder Fertigschächte sind z.B. genormt und werden in Stückzahlen (Schächte, Schachtringe, Konusse) sowie laufenden Metern (Rohre) in Auftrag gegeben. Erdüberdeckungen und Verkehrslasten bestimmen die Statik der Rohre (Wandstärke). Selbst Betonrohre mit Fuß oder Trockenwetterrinne können immer noch als Kleinserie produziert werden. Damit sieht auch die Akquisition von Fertigteilen für den Tiefbau anders aus als im Hochbaubereich. Preis und Qualität stehen noch unmittelbarer im Wettbewerb zueinander, da sie in Preislisten oder von Objekt zu Objekt kurzfristig übersichtlich vergleichbar sind. Kleine Mengen hält im übrigen der Baustoffhändler ab Lager parat. Der Werksvertreter besucht den Baustoffhandel, Architekten und ausführende Bauunternehmen, oft auch um über Neuentwicklungen von Details oder Beschaffenheiten zu informieren. Noch ein weiterer Unterschied kennzeichnet das Fertigteilwesen für den Hoch- und den Tiefbau: Während im Tiefbau die Montage der Fertigteile nahezu ausnahmslos von den ausführenden Unternehmen vorgenommen wird (Ausnahme z.B. das Stumpfschweißen von PE -Rohren), welche die Fertigteile als Teil ihrer Materialbeschaffung beim Werk in Auftrag gegeben haben, wird die Montage von Hochbaufertigteilen häufig von Montagepersonal des Herstellerwerkes selbst vorgenommen, so dass man darin ein echtes Nachunternehmerverhältnis sehen kann. Immer schwieriger zu verwirklichen sind Fertigteillösungen (Hochbau) in Innenstädten mit Lückenbebauungen, da die zur Montage benötigten Geräte und die Transportfahrzeuge einen so großen Umfang besitzen, dass sie nicht in die engen Innenstädte hinein gelangen können. Insbesondere die Kosten - Zeit - Schiene aber spricht dafür, dass Fertigteillösungen auch in den kommenden Jahren ihren Platz im gesamten Baumarkt behaupten werden.

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