Edition Bauwirtschaft

von Prof. Dr. Bernd Witthaus

Kanalbau

Als Kanalbau bezeichnet man den drucklosen oder nahezu drucklosen Abwasserleitungsbau. Regen- und/oder Schmutzwasser werden in Haupt- und Nebensammlern "gesammelt" und einer Kläranlage zugeführt, wo die Reinigung und Zuführung in einen neuen Kreislauf geschieht. Der Abwasserleitungsbau wird von den verschiedensten Parametern gekennzeichnet, die je nach Region eine unterschiedliche Gewichtung besitzen: innerstädtischer oder außerstädtischer Leitungsbau (Bodenverhältnisse), Verkehrslasten, Abführung von Regen-, Schmutz- oder Mischwasser. Neben einigen untergeordneten Gesichtspunkten spielen die vorgenannten Parameter die größte Rolle im Kanalbau. Jeder, der schon einmal in einen innerstädtischen Leitungsgraben geschaut hat, weiß, wie viele Leitungen darin zu sehen sind, denn alle Medien, ob Strom, Gas, Wasser oder Abwasser, müssen den industriellen und privaten Verbrauchern zu- und gegebenenfalls wieder abgeführt werden. Insofern ist nicht nur von Bedeutung, welche Erd- und Gesteinsformationen man vorfindet, sondern auch, welche bereits im Boden befindlichen Leitungssysteme. Von besonderer Bedeutung ist auch, ob man von einem "ruhenden" Boden ausgehen kann oder ob die zu verlegenden Leitungen später Setzungen oder Senkungen ausgesetzt sein können (z.B. Bergsenkungen). Sollte das letztere der Fall sein, so müssen an die Rohrverbindungen besonders hohe, meist die Elastizität betreffenden Anforderungen gestellt werden (Abwinkelungen). Die Frage der Bodenverhältnisse stellt sich natürlich auch außerstädtisch, d.h., ob mit oder ohne Grabenverbau (also Grabensicherung) gearbeitet werden kann. Natürlich bestimmen die Bodenverhältnisse auch, ob eine Sand- oder Betonsohlenbettung der Rohrleitungen vorzusehen ist. Einen Sonderfall bildet die Rohrvorpressung. Manchmal ist es nicht möglich, Verkehrsströme einfach für die Bauzeit lahm zu legen (Eisenbahn und Strasse). In solchen Fällen entscheidet man sich für Durchpressungen bzw. Unterquerungen von Eisenbahn- und Straßentrassen. Allerdings muß die Vorpressung eigentlich als gesondertes Sach- und Fachgebiet behandelt werden, denn die Spezifika unterscheiden sich doch sehr deutlich von denen des normalen Kanalbaues. Einen weiteren Sonderfall stellen die Düker dar, also die Unterquerungen von Fluß- und Wasserläufen sowie die Verlegung von Leitungen in denselben. Auch dies ist ein Spezialgebiet, dem, von der Häufigkeit des Vorkommens her gesehen, eher eine untergeordnete Bedeutung zuzumessen ist. Besonders beachtet werden muß jedoch die Verkehrsbelastung, die auf Leitungssysteme einwirkt. Verlegungstiefen und die Bruchsicherheit der Rohrmaterialien hängen hiervon ab. Die verschärften Sicherheitsmaßnahmen im Rahmen der modernen Umweltschutzgesetze und -bestimmungen haben zu erhöhter Aufmerksamkeit auf diesen Punkt geführt.Man unterscheidet folgende Bereiche: ohne Verkehrsbelastung, SLW 30 (Tonnen), SLW 45 und SLW 60. Keine Verkehrslasten gibt es in der Regel nur bei Leitungsverlegungen auf "Feld, Wald und Wiese"! Je stärker ein Verkehrsweg befahren wird, desto stärker also auch die Belastung, so dass in den meisten Gemeinden und Großstädten eine Verkehrsbelastung SLW 60 angenommen werden kann.


Davon abhängig zeigt sich wiederum die Verlegungstiefe, denn die sogenannte Scheiteldruckfestigkeit des Rohrmaterials und die darauf einwirkenden Verkehrslasten bestimmen die Verlegungstiefe, so daß die Rohrleitungen nicht brechen und - vor allen Dingen - Schmutz- und Mischwasser nicht ungeklärt ins Erdreich gelangen können. Man unterscheidet, je nach geführtem Medium, Regenwasser-, Schmutzwasser- oder Mischwasserkanäle. Die preiswerteste Lösung bietet natürlich der Mischwassersammler, der sowohl Schmutz-, als auch Regenwasser aufnimmt und zur Kläranlage transportiert. Dementsprechend spricht man auch von einem Mischwassersystem einer Gemeinde. Andererseits, wenn Schmutz- und Regenwasser in getrennten Leitungen abgeführt werden, liegt, wie auch hier der Name bereits verrät, ein Trennsystem vor. Unter verstärkten Umweltschutzgesichtspunkten kann in unserer heutigen Welt eigentlich nur noch ein Trennsystem den Maßstäben gerecht werden, die an ein modernes Abwassersystem angelegt werden müssen, und doch können die verschiedenen Systeme nicht von heute auf morgen umgestellt werden, weil die Gemeinden nicht über die nötige Investitionskraft verfügen, die für eine kurzfristige Umstellung erforderlich wäre. Je nachdem, welches System zum Zuge kommt, muß für die Kanäle auch das Material ausgesucht werden. Vielerorts ist dieser Punkt in der Vergangenheit fast zu einer "Glaubensfrage" hoch stilisiert worden, und immer haben auch die Dichtheitsfrage und die Materialkosten eine große Rolle bei der Beurteilung gespielt. Im großen und ganzen findet man jedoch folgende Rohrmaterialien beim Schmutzwasser vor:Steinzeug (Muffenverbindung)Stahlbeton (Steckverbindung) (nach DIN 4035, bewehrt)Polypropylen (PP, Schweißverbindung)Polyäthylen (PE, Schweißverbindung)Faserzement (früher Asbestzement). Beim Regenwasser: Rüttelpressbeton (Glockenmuffen - Steckverbindung nach DIN 4032),Betonfalzrohre (Entwässerung),Polypropylen (PP mit Schweißverbindung).Beim Mischwasser:Stahlbeton (nach DIN 4035, bewehrt),Polypropylen (PP, Schweißverbindung),Faserzement (früher Asbestzement)oder PE. Verständlicherweise werden im Gegensatz zu Regenwasserleitungen an Schmutz- und Mischwasserleitungen besonders hohe Dichtheitsansprüche gestellt. Besondere Anforderungen an das Rohrmaterial stellen möglicherweise auch aggressive Abwässer und aggressive Böden, so dass zum einen auf den Rohrleitungen ein Außenschutz, zum anderen, in Form einer Innenauskleidung oder eines Anstriches, ein Innenschutz vorzusehen ist. Die Innenauskleidung besteht bei normalen ph - Werten des Abwassers meist aus einem teerpechartigen Anstrich, z.B. Inertol. Liegen allerdings aggressivere Werte vor, dann wird bereits im Herstellerwerk in der Regel ein ein- oder mehrfacher Anstrich auf Epoxydharzbasis vorgenommen, in einigen Städten wegen der besseren Kontrolle auch zweifarbig. Das Gleiche gilt für eine Außenbeschichtung. Ummantelungen mit Kunststoff oder anderen Materialien (z.B. Verzinkung oder Schlauchfolien), wie sie z.B. im Bereich der Gas- und Wasserdruckleitungen vorkommen, sind im Abwasserbereich wegen der hohen Materialkosten eher selten anzutreffen. Zu den im Kanalbau verwendeten Materialien gehören natürlich auch Ortbetonschächte (mit und ohne Verklinkerung) oder Fertigschächte, die aus Grundkörpern, Schachtringen und Konussen bestehen, auf welche schliesslich als "Verschluß" eine schwere Schachtabdeckung gelegt wird. Diese Fertigteile werden meist von den gleichen Herstellern angeboten wie die Rohrleitungen (Beton und Faserzement). Insgesamt gibt es in der Bundesrepublik immer noch ein großes Potential an zu sanierenden Kanälen, sei es in Form einer Neuverlegung oder einer tatsächlichen Instandsetzung und Sanierung. Die Rohrquerschnitte, die in den Nachkriegsjahren verwendet wurden, entsprechen vielerorten nicht mehr den Erfordernissen unserer Neuzeit. Doch viele Gemeinden haben wegen anderweitiger Belastungen ihrer Haushalte derzeit nur wenig Möglichkeiten, auf diesen Bedarf mit entsprechenden Ausschreibungen zu reagieren. Allerdings zeigen sich im Potenzial der kommunalen Haushalte erhebliche regionale Unterschiede, z.B. von Bayern und Baden-Württemberg zu Nordrhein-Westfalen!

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